In diesem Post möchte ich gerne niederschreiben, was mir in den letzten Jahren immer wieder durch den Kopf geistert. Vielleicht ist es eine einmalige Sache, vielleicht nehme ich mir aber auch in Zukunft gelegentlich die Zeit um zu anderen, ähnlichen Themen etwas aufzuschreiben.
Ich möchte vorwegnehmen, dass der folgende Text eine persönliche Meinung und Interpretation der Situation widerspiegelt, und damit nicht unbedingt als Quelle für verlässliche Informationen taugt. Ich will hiermit mich und andere zum Denken und Diskutieren anregen, denn ich erachte das als wichtig um dieser Welt in eine richtige Richtung zu helfen.
Im vergangenen Jahr habe ich ein freiwilliges soziales Jahr in einer altersmedizinischen Klinik gemacht. Dies verschafft einem eine, wenn auch nicht vollständige, dann zumindest andere Perspektive in die Funktionsweise des Gesundheitssystems in Deutschland.
Zusätzlich dazu hat vermutlich jeder schon mal ein Krankenhaus von innen gesehen, und kann die ein oder andere Geschichte von Besuchen (ob eigene oder von Freunden und Bekannten) in der Notaufnahme zum Besten geben.
Tatsache ist, dass Krankenhäuser, die vor Jahren noch in öffentlicher Hand waren, mittlerweile als privatwirtschaftliche Betriebe geführt werden. Ich will damit nicht aussagen, dass früher alles besser war, sondern dass das, wie so oft diese Form der Betriebsführung, katastrophale Auswirkungen auf den eigentlichen Zweck dieser Institutionen hat.
Krankenhäuser habe die Aufgabe sich um Personen die aus welchen Gründen auch immer ihrer Gesundheit beraubt sind, zu einem möglichst humanen weiteren Leben zu verhelfen. Das heißt im Idealfall die komplette Genesung von einer Krankheit oder eine erfolgreiche Operation, hat aber auch viele weitere Aspekte, etwa in der Palliativmedizin.
Es ist die Aufgabe einer „guten“ Gesellschaft sich um ihre hilfsbedürftigen Mitglieder zu kümmern. Im Allgemeinen ist der Gesellschaft an der Genesung ihrer Arbeitskräfte in jedem Fall gelegen, aber auch diejenigen denen diese Möglichkeit nicht gegeben ist, haben ein Anrecht auf adäquate Behandlung.
Im Grunde sollte die Gesellschaft daher in irgendeiner Form ein Gesundheitssystem zur Verfügung stellen. Das muss keine komplett aus öffentlicher Hand finanzierte Servicedienstleistung sein, aber es muss den Menschen helfen und nicht Gesundheit käuflich erwerbar machen.
Betrachten wir nun verschiedene Szenarien die sowohl die Gründe als auch die Probleme des aktuellen Systems soweit ich es erfassen kann illustrieren.
Patient*in A kommt in die Notaufnahme weil er/sie leichte Kopfschmerzen. Es ist Samstag Abend, der Hausarzt hat erst am Dienstag wieder geöffnet, und der nächste Bereitschaftsarzt ist weiter weg als das Krankenhaus. Er/Sie ist dort hin gelaufen, und sitzt nun schon eine Dreiviertelstunde im fast leeren Warteraum. Nach lautem herumpöbeln wird ihm vermittelt, dass gerade ein schwerer Motorradunfall behandelt wird, und keine Zeit für ihn/sie da ist. Trotzdem bekommt er/sie irgendwann ein Schmerzmittel verschrieben und zieht von dannen.
Diese Geschichte ist etwas an den Haaren herbeigezogen, enthält aber viele Probleme, die in der Praxis auftreten. Patienten gehen aufgrund von Symptomen in die NFA, die eigentlich nur einen Hausarztbesuch rechtfertigen, und auch nicht wirklich dringlich sind. Patienten sind genervt von langen Wartezeiten und scheinbarer Teilnahmslosigkeit, Pflegepersonal und Ärzte von der lästigen Aufgabe aus der Menge an Leuten diejenigen herauszufinden, die wirklich akut Hilfe benötigen.
Dass dies nicht immer gelingt mag in manchen Fällen an Inkompetenz liegen, aber ich bin davon überzeugt, dass für eine qualitative Selektion in vielen Fällen einfach die Ressourcen fehlen. Zusätzlich wünschen sich manche Patienten explizit die Gabe eines Medikaments, selbst wenn das aus medizinischer Sicht Unfug ist. Aus Mangel an Zeit und Nerven werden dann Medikamente, manches Mal sogar Antibiotika verschrieben, nur um den Fall schnell abzuhandeln.
Patient*in B kommt mit schweren Herzproblemen auf eine kardiolgische Station. Nach mehreren Operationen wird er/sie nach relativ kurzer Zeit in ein anderes Krankenhaus verlegt. Er/Sie stirbt nach zwei Monaten an den Spätfolgen einer Lungenentzündung, die er/sie sich kurz nach der Verlegung zugezogen hat.
Auch diese Geschichte ist frei erfunden, trotzdem ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Patienten werden heute in Deutschland nach sogenannten Diagnosis-Related-Groups (Diagnose-bezogene-Gruppe) abgerechnet, wodurch sich eine maximale Liegedauer in einem Krankenhaus ergibt, da sonst die Krankekasse keine weiteren Kosten übernehmen würde. Daher werden auch Patienten unabhängig von pflegerischer Intuition höchstens eine bestimmte Zeit behandelt, und dann entlassen oder verlegt.
Hier zeigt sich eins der meiner Ansicht nach größten Probleme des Gesundheitswesen: Die Sicherstellung einer angemessen Behandlung. Die in vielen Fällen schon zu überarbeiteten Pflegekräfte und Ärzte haben durch die Art dieses Berufes tagtäglich nur ein bestimmtes Kontingent an Zeit um mit den Patienten zu interagieren. Diese Arbeit kann nicht wie in kaufmännischen Berufen einfach an einem anderen Tag erledigt werden.
Nun wird von den Krankenkassen erwartet, dass sie die Kosten der Behandlung von verschiedenen Patienten tragen. Diese sind verstädlicherweise an Verhältnismäßigkeit interessiert, daher solche Systeme wie die oben erwähnten DRG-Einsortierung.
Diese Gruppen sind zunächst nur eine grobe Einschätzung aufgrund der Diagnosen der Patienten. Für jede Information, die zusätzlich spezifiziert, warum ein Patient auf eine bestimmte Art und Weise behandelt wurde, müssen Ärzte und Pflegekräfte Unmengen an Dokumentation ausfüllen.
Das in Kombination mit dem Mangel an Pflegekräften und der Tatsache, dass eben nicht einfach mal gestreikt werden kann führt dann dazu, dass die wenige Zeit welche der Pflege und auch den Ärzten zur Verfügung steht auch weniger am Patienten verbracht werden kann, sondern sich in Begründungen versandet, dass die Patienten überhaupt bleiben können.
Damit bin ich irgendwo zwischen den Faden verloren zu haben und hoffentlich die zentralen Ideen vermittelt zu haben angekommen, und würde mich freuen, wenn dies jemanden anregt über das Thema nachzudenken, oder vielleicht auch mit mir oder anderen darüber zu diskutieren.